Das Eichhörnchen 🐿
Auf der Waldlichtung entdeckte ich ein Eichhörnchen, das ein T-Shirt anhatte. „Siehst du das?!?“ fragte ich meinen Bruder. Aber der war plötzlich verschwunden. „Joseph?“ verwirrt drehte ich mich um meine Eigene Achse, in der Hoffnung meinen Bruder in der Nähe zu finden, doch nirgendwo war ein Zeichen von ihm. Weder das verräterische Aufblitzen seiner Silberringe, die er so gerne trug, noch seine schlaksige Gestalt verrieten die Anwesenheit meines Bruders. Vielleicht war er nur im Gebüsch und wartete darauf, dass er mich, in einem Moment der Unaufmerksamkeit, erschrecken könnte? Eigentlich war er ja langsam zu alt für das, immerhin war er 2 Jahre älter als ich und ich war erst 13, aber trotzdem. Er muss wohl kurz weg gegangen sein, anders konnte ich mir es nicht erklären. Mit einem ungutem Gefühl im Bauch wandte ich mich wieder dem Eichhörnchen zu, in der Hoffnung wenigstens ein Foto zu machen, und erschrak, als ich bemerkte, dass es keine zwei Meter vor mir entfernt saß und mich mit kalten Äuglein musterte. Es wäre an sich schon etwas merkwürdig gewesen, wenn man bedachte, dass das Eichhörnchen ein T-Shirt trug, doch nicht das war es was mir Angst machte. Diese Bosheit, die mir förmlich vom Eichhörnchen entgegensprang, war unerträglich. Es schien als würde es mich mit seinem unheimlichen Blick mustern. Dieses Eichhörnchen war definitiv nicht normal. Von seinem ungewöhnlichem Aussehen ganz zu schweigen. Zögernd holte ich mein Handy heraus, doch plötzlich fing das Eichhörnchen an zu sprechen. „Hättest wohl besser auf deinen Bruder aufpassen sollen“, keckerte es mir entgegen. Für einen Moment schien mein Herz still zu stehen. Lauthals kreischend ließ ich mein Handy fallen, worauf es auf eine Wurzel fiel und das Display zersprang. Ich ließ mein Handy im Stich und versuchte wegzulaufen, doch ich stolperte über die gleiche Wurzel, die schon mein Handy zerstört hatte. Wäre das in einem Film oder eine Komödie passiert, hätte ich mich weggeschmissen vor Lachen, doch ich war ja eben nicht in einem Film, und deshalb fand ich das eher weniger lustig. Zappelnd rappelte ich mich auf und ignorierte den fiesen Schmerz, den meine aufgeschürften Hände verursachten. Zitternd versuchte ich einen Weg durch das Gebüsch zu finden, doch alles war mit Dornen zugewachsen, obwohl ich schwören könnte, dass ich von dieser Richtung gekommen bin. „Sackgasse“, Keuchend wandte ich mich um und ich sah wie das Eichhörnchen ganz langsam auf mich zutappte. Sein Schweif zuckte, die Augen verengten sich und es fing an ein gurgelndes Geräusch zu erzeugen, das mich an eine kaputte Maschine denken ließ. Das Geräusch wurde lauter und lauter, während das Eichhörnchen wuchs und grösser wurde. Das buschige Fell verschwamm zu blasser, schwammiger Haut, das T-Shirt wurde zu einem unförmigen Körper und das Gesicht wurde zu einer hässlichen Fratze mit einem leeren Loch an der Stelle, an der eigentlich ein Mund hingehörte. Aus vollem Halse schrie ich und warf ihm Steine, Erdbrocken und alles was ich sonst noch in die Hände bekam an, doch es kam immer näher und näher und riss sein Blutverschmiertes Maul auf um mich zu verschlingen als plötzlich… „Aufwachen! He bist du in Ordnung?!“ Stöhnend rieb ich mir meine Augen. Wo war ich? Mein Bruder blinzelte mir besorgt entgegen. „Du bist einfach umgekippt, vielleicht liegt es an deinem Kreislauf. Sicher das alles gut ist?“. Ich brauchte einen Moment um in die Wirklichkeit zurückzukehren. Langsam blinzelnd schaute ich ihn an und umarmte ihn erleichtert. „Da war dieses Eichhörnchen…es war voll unheimlich... und es hatte ein T-Shirt an“ schluchzte ich. Perplex schaute er mich an. „Komm wir gehen zum Arzt, vielleicht bist du mit deinem Kopf an einer Wurzel gestoßen.“ Wäre ich ganz bei Sinnen und nicht so verwirrt gewesen, hätte mich dieser Kommentar wütend gemacht, doch ich war eben nicht ganz bei Sinnen, und so klammerte ich mich nur an ihn und langsam den Weg durch den Wald bahnend, gingen wir nach Hause. Dabei machten wir einen Heidenlärm, denn während wir und durch den Wald kämpften, hörten wir nicht, dass irgendwo in der Ferne ein Eichhörnchen keckerte.
Eliana Schneider, 2020.
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